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Zivilcourage



 



Pflicht zum Widerstand - Kleine Zeitung, Leserforum, DEBATTE, Fr. 6. Sept.2013

„Wer, statt selbstständig zu denken, Schildern und Pfeilen folgt, ist manipulierbar. Er rennt dorthin, wohin die Schilder weisen.“

Geleitet von Schildern und Pfeilen in einem Kontrollsystem zu leben, das Menschen schlimmer als manche Diktatur normiert, manipuliert und überwacht, ist einer modernen Gesellschaft unwürdig.

Es stellt ihre Bürger unter den Generalverdacht der Unfähigkeit. Es tut so, als könnten sie Entscheidungen nicht selbst treffen und verantworten, sondern als wäre ihr idealer Lebensraum ein klinisch sauberer Arbeits- und Freizeitpark, in dem es für alles einen Hausordnungspunkt samt Sonderbestimmungen und Ausnahmen gibt.

Das hinzunehmen bedeutet, freiwillig und leichtfertig auf Werte zu verzichten, die das Fundament jeder modernen Gesellschaft bilden sollten. Das sind Selbstbestimmung, Meinungsfreiheit und Privatsphäre. Sie bringen individuelle Entfaltungsmöglichkeiten, die Menschen erst zu Menschen machen.

Denn wer, statt selbstständig zu denken, Schildern und Pfeilen folgt, ist manipulierbar. Er rennt immer dorthin, wohin die Schilder und Pfeile weisen und nimmt als gegeben hin, was ihm das Kontrollsystem sagt. Sagt es ihm, es diene seiner Sicherheit, lässt er sich irgendwann in einen Käfig sperren.

So ein Bürger eignet sich perfekt dafür, den Reichtum einiger weniger zu mehren. Ein Job als Systemtrottel, das Belohnungssystem eines Konsumtrottels und ein Hobby als Burn-out-Prophylaxe. Arschkriechen, Einkaufen, Fernsehen und Kakteengießen. So sieht sein Leben aus. Jeder Bürger, der zu einem Mindestmaß an Respekt vor sich selbst und vor der Gesellschaft fähig ist, hat deshalb die Pflicht, Widerstand zu leisten.
Wer an Widerstand denkt, denkt an Protest. Er denkt an revolutionäre Tendenzen. Doch das Kontrollsystem bietet dafür keine Angriffsfläche mehr. Es hat sich selbst anonymisiert. Es gibt keinen Diktator, der als Feindbild dienen könnte und kein Regime, das sich unterwandern ließe.
In einem Kontrollsystem bedeutet Widerstand deshalb, die einzige Angriffsfläche, die es noch bietet, im eigenen Kopf zu finden. Widerstand bedeutet, den Schildern und Pfeilen zu misstrauen und selbstständig zu denken. Denn wer selbstständig denkt, kann eigenen Zielen und Träumen folgen. Je mehr Menschen das tun, desto mehr Macht verliert das Kontrollsystem.

Wer selbstständig denkt, kann bei jeder Entscheidung, die er trifft, Widerstand leisten. Er kann seine eigenen Regeln aufstellen, und sei es nur dafür, wie sehr er die Spielräume, die das Kontrollsystem bietet, im Sinne der Freiheit, der Vernunft und der Menschlichkeit nützt. Jeder kann sich jeden Tag bei jeder Entscheidung fragen, was es für ihn, seine Mitmenschen und die Gesellschaft bedeutet, wenn er sich nur an das System hält, und welche Alternativen er hat.

Gerald B. Hörhan ist Investmentbanker und Autor von „Investment Punk“ und „Gegengift“. Dieser Text wird im Rahmen von Denkt.at publiziert.